Die Welpenspielstunde im Pfotenzentrum -Gedanken zur Hundehaltung in Wien und zum TrainerInnendasein

Heut waren wir also wieder im Pfotenzentrum Rodaun zur Welpenspielstunde. Wir nehmen daran deshalb teil, weil es für eine gesunde Sozialisation wichtig ist, dass Welpen nicht nur mit ausgewachsenen Artgenossen, sondern auch mit anderen Welpen spielen und Hund sein dürfen.

Da die Wiener Hundeschulen – wenn überhaupt – eher Welpenkurse als Welpenspieltreffs anbieten, gondle ich also jetzt schon den zweiten Samstag in den 23., um Phoebe ihre Welpenkontakte zu ermöglichen. Die wird sogar kostenlos vom Pfotenzentrum angeboten, was uns zusätzlich freut. Roya bezeichnet dieses Angebot als “ihr Geschenk an alle Hundekinder”; natürlich werden bei der Gelegenheit aber auch ihre kostenpflichtigen Kurse beworben.

Nicht nur für Phoebe ist die Spielgelegenheit interessant, sondern auch für mich: Die Teilnahme gibt mir die Gelegenheit, die Herangehensweise der beiden Hundetrainerinnen zu beobachten und mir meine Gedanken zu machen, wie ich mit ähnlichen Situationen umgehen möchte, wenn meine eigene Hundeschule läuft. 

Roya und Veronika teilen die Hunde nach Körpergröße in zwei Gruppen und beaufsichtigen abwechselnd die eine und die andere. Sie greifen in der Regel nicht ein, schicken höchstens die nicht hören wollenden Hunde zurück in ihre andere Gruppe, wenn die Großen die Kleinen aufmischen wollen, und einmal heute bemerkt Veronika zum Rauhaardackel-Menschen, dass er (besser gesagt sie) den Hund nicht ausschließlich am Bauch stützen soll, wenn sie ihn hochhebt. Eine gute Bemerkung. Bei dem Schimpfen der menschlichen Teilnehmer über “die unerzogenen Hunde aus der großen Gruppe; die Besitzer, die nicht konsequent genug sind und keinen Rat annehmen wollen”, halten sie sich heraus. Das ist vermutlich ein kluger Schachzug, auch wenn die Stimmung dadurch nicht unbedingt kameradschaftlich ist.

Was mich hingegen stört, sind gewisse andere Verhaltensweisen mancher TeilnehmerInnen. Sehr oft fällt das Wort “Nein”; ein negativer reinforcer (d.h. eine Konsequenz, für deren Vermeidung der Hund arbeitet). “Nein, Gundi”, “Nein, Ruby”, regnet es negative reinforcers, auch wenn die angesprochenen Hunde ganz offensichtlich nicht zuhören. Zwischendurch auch etwas lauter und schärfer: “Gundi, NEIN!” 

“Nein” ist nicht nur ein Wort, das mich als Clicker-Enthusiastin und positive Trainerin in der Hundeerziehung stört; es ist außerdem völlig nutzlos, wenn der Hund es nicht versteht: Ganz gleich, ob es sich um Mensch oder Hund handelt: Jemand, der kein Deutsch versteht, versteht auch kein lautes Deutsch. 

Ein weiteres Wort wird fast zu oft verwendet: Einige der älteren, größeren Welpen machen sich selbstständig und rennen zu den kleineren. Die Menschen der selbstständigen Hunden hingegen rufen viele Male den Namen ihrer Hunde und werden auch beim fünften Mal noch ignoriert, bis sie schließlich ihren Hunden hinterherlaufen und sie einfangen.

Auch das eine Herangehensweise, die ich suboptimal finde. Ein wichtiges Prinzip im Zusammenleben mit einem heranwachsenden und lernenden Hund lautet für mich:

Set your dog up for success.

Wenn ich meinen Hund rufe, dann muss ich wissen, dass er auch kommen wird. Sonst entwerte ich den Cue, in dem Fall den Namen, indem ich ihn zehnmal erfolglos wiederhole: Passiert dies oft, wird er für den Hund zu einem bedeutungslosen Hintergrundgeräusch.

Wie hätten die Hundebesitzer besser reagieren können? Der Hundebesitzer ist in der Regel derjenige, der seinen Hund am besten kennt und einschätzen kann. Wenn er weiß, dass sich sein Welpe in einer bestimmten Situation nicht abrufen lässt, kann er einfach ruhig zu dem Welpen gehen und ihn abholen, anstatt ihn erfolglos zu rufen. Dadurch wird das Kommando nicht entwertet.

Parallel empfiehlt es sich natürlich, mit einem heranwachsenden Hund zu arbeiten – schließlich soll er möglichst bald in jeder Situation abrufbar sein. Beim Training gilt aber immer das Prinzip “Set your dog up for success”: Ganz langsam nur wird der Schwierigkeitsgrad der Übung gesteigert, und immer nur so weit, dass der Besitzer 50 Euro darauf wetten würde, dass sein Hund auf Zuruf kommt. Die ersten Übungen werden etwa in der gewohnten Wohnung und ohne Ablenkung durchgeführt, dann mit viel Lob, Leckerlis oder Spiel – je nach Hund – belohnt. Funktioniert das problemlos, ist die nächste Station etwa der eigene Garten – ein Ort, den der Hund kennt und an dem es keine Ablenkungen gibt. Dann können wir das Training nach draußen verlegen: An einen öffentlich zugänglichen Ort ohne Ablenkungen (ohne andere Menschen und Hunde). Oder wir trainieren am gewohnten Ort (Wohnung, Garten), allerdings mit einer kleinen, weit entfernten Ablenkung (Mensch geht vorbei oder Hund geht außen am Gartzenzaun vorbei). 

Ganz langsam, Schritt für Schritt, tasten wir uns so an eine Abrufbarkeit auch unter anderen spielenden Hunden heran und können bald unseren Hund zurückrufen, wenn er zu den kleineren Welpen in der Welpenspielstunde möchte, ohne ihn holen gehen zu müssen. Klappt das trotz der Spiel-Versuchung, hat er sich natürlich jede Menge Belohnungen verdient –  und die Erlaubnis, gleich mit den eigenen Spielgefährten weiterzutollen!

Roya und Veronika sagen nichts zu den rufenden Hundehaltern. Ich überlege mir, ob ich in dieser Situation zu einem Vortrag ansetzen würde, wenn ich in meiner eigenen Hundeschule in eine ähnliche Situation käme. Vermutlich würde ich das, ja. Royas und Veronikas Spielstunde ist allerdings explizit kein Lehrkurs, sondern eben nur eine Spielstunde – vielleicht werden allein deshalb keine Erziehungstipps gegeben bzw. vielleicht teilen die beiden auch nicht meine Erziehungsphilosophie.

Babsi mit ihrem Bordermix Ruby (seit der letzten Stunde, als sie schüchtern war, ist sie gewaltig aufgetaut!) sucht Rat bei Roya, weil Ruby noch nicht stubenrein ist. Konkret angesprochen gibt Roya kompetente und sicher hilfreiche Tipps.

Auch versucht Roya auf Babsis Klage, dass es keine Orte gäbe, wo sie ihren Hund laufen lassen könne, die Angst der erstmaligen Hundehalterin zu zerstreuen und erklärt ihr, dass bis zum 4. Lebensmonat der Folgetrieb so stark ist, dass sie sich beim Freilauf keine Sorgen machen müsse – gerade jetzt sei die Zeit, etwa im Wald zu trainieren und frei zu laufen.

Der Rat ist gut, und Babsi eine Halterin, die eher zu vorsichtig als zu unvorsichtig ist. Andererseits finde ich es ein bisschen problematisch, einer Hunde-Anfängerin uneingeschränkten Rat zum Freilauf zu geben, ohne auf ein weiteres wichtiges Prinzip hinzuweisen:

Sicherheit kommt an erster Stelle. 

Ich kann einen Hund – besonders einen schreckhaften und intuitiven Welpen – nur dann freilaufen lassen, wenn die Umgebung sicher ist. Das heißt in der Umgebung Wiens in erster Linie: keine Straße, keine Autos.

Und bei einem viermonatigen Energiebündel wie Ruby, dessen Reaktion auf Wildtiere die Halterin noch nicht kennt, gilt im Wald natürlich erst einmal: Hund an die Leine. Erst, wenn Ruby hier auf ihren Menschen hört, darf sie frei laufen – und zwar bevorzugt dort, wo keine Leinenpflicht herrscht. In Wien kann das sonst nämlich ganz schön teuer werden: Die Mindeststrafe für die Missachtung der Leinenpflicht beträgt 21,- Euro, kann aber auch bedeutend höher ausfallen. Wer seinen Hund etwa in sogenannten Hundeverbotszonen (dazu gehören Spielplätze, Teile des Wiener Praters, manche frei zugänglichen Badezonen an der Alten Donau sowie diverse Parks wie etwa die Steinhofgründe) frei laufen lässt, zahlt in der Regel wesentlich mehr.

In anderen österreichischen Bundesländern mag das vielleicht nur am Papier gelten – meine Hunde im Burgenland sind so gut wie überall frei und ohne Maulkorb gelaufen, und wir hatten niemals Probleme -, aber in Wien wird die Hundegesetzgebung häufig kontrolliert. 

Was ist also zu beachten, wenn ich Freilaufmöglichkeiten in Wien suche?

In Wien herrscht auf öffentlichen Plätzen Maulkorb- oder Leinenpflicht. Das heißt, ich darf meinen Hund in öffentlchen Parks, Plätzen, Gassen, Lokalen etc. in der Regel entweder ohne Maulkorb an der Leine führen oder ihn mit Maulkorb frei laufen lassen.

Ausgenommen von dieser Regel sind innerhalb Wiens nur die Hundezonen. Davon gibt es mehr als 100 mit einer Gesamtfläche von 817.000 m2. Viele sind klein und mickrig, manche aber richtig schön: so etwa die riesige Hundeauslaufzone im Prater (nicht eingezäunt!), die sowohl Wald als auch Wiese umfasst, die Hundezone “Alte Donau” am Ferdinand-Kaufmann-Platz im 21. Bezirk, wo Hund und Mensch nach Lust und Laune in der Donau schwimmen können, und die Hundeauslaufzone am Badeteich Hirschstätten im 22. Bezirk (nicht eingezäunt), und der Hundestrand auf der Donauinsel (nicht eingezäunt) (Parkplatz Donauinsel, Anfahrt über die Floridsdorfer Brücke oder mit der Straßenbahn 31): Hier darf hund nach Lust und Laune ohne Maulkorb und Leine laufen.

Achtung: In manchen Parks, etwa im Augarten abgesehen von den beiden dortigen Hundezonen, herrscht Leinenpflicht. An diesen Orten (keine Autos, viel Natur, mitten in der Stadt) muss sich der Halter selbst entscheiden, ob er seinem (folgsamen) Hund die Freiheit trotzdem gönnt und im Falle des Falles Strafe zahlt, oder ob er sich an die Leinenregel hält und zum Freilauf aus der Stadt hinaus und ins Grüne fährt. 

Ich bin der Meinung, dass Hunde natürlich Freilauf brauchen. Allerdings sollten gerade wir Wiener Hundehalter auf Nicht-Hundehalter Rücksicht nehmen, um ein harmonisches Miteinander von Mensch und Hund in der Stadt zu garantieren. In den Wiener Parks, wie etwa Augarten oder Donauinsel, gibt es gerade im Sommer sehr viele Menschen, auch Familien mit Kindern. Manchmal haben Eltern Angst, dass ein Hund ihr Kind beiße könnte. Wir als verantwortungsvolle Hundehalter wissen, dass unser vierbeiniger Liebling niemandem etwas zu Leide tun würde. Die Familie weiß das aber nicht, und nur weil wir den fröhlich auf sie zulaufenden Hund mit “Der tut eh nix!” kommentieren, fürchtet sie sich nicht weniger. 

Die Stadt gehört nun mal uns allen. Genauso, wie es als Hundehalter unsere Pflicht ist, sie sauberzuhalten (schließlich gibt es in Wien wirklich fast überall Sackerl-Ständer), sollte in unserer Stadt niemand Angst haben müssen. Angst zu haben – egal wovor – ist nicht etwa lächerlich, sondern ganz normal: Jeder hat Angst vor irgendetwas: manche vor Spinnen, manche vorm Fliegen und manche eben vor Hunden. Es ist unsere Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen, ihre Hundeangst genauso zu respektieren, wie wir ihre Flugangst oder ihre Spinnenphobie respektieren würden. Wir würden schließlich auch keinen wildfremden Menschen zwingen, gegen ihren Willen in ein Terrarium zu greifen oder in ein Flugzeug zu steigen, nur weil wir davon überzeugt sind, dass das nicht gefährlich ist. Genauso wollen wir auch niemanden zwingen, von unserem Hund freundlich begrüßt zu werden. Die Angst der Passanten wird abgebaut, indem unser Hund höflich und in sicherer Entfernung an der lockeren Leine neben uns herläuft und uns seine Aufmerksamkeit schenkt,  nicht indem er sie stürmich begrüßt. Wer für seinen folgsamen Hund bewundert wird, hat die Gelegenheit, Vorurteile abzubauen, indem er dem beeindruckten Nicht-Hundehalter ein bisschen etwas über Hunde, Erziehung, Charakter etc. erzählt.

Aber zurück zur Welpenspielstunde in Rodaun. Phoebe hat’s ganz gut gefallen. Sie war heute schon viel lebendiger als beim letzten Mal – schließlich ist sie jetzt schon eine ganze Woche älter und kennt die Wiese in Rodaun. Nächste Woche werden wir vielleicht nochmal hinschaun – und dann lassen wir das Pfotenzentrum hinter uns. Da haben wir dann nämlich andere Pläne, Phoebe und ich. Aber davon später!

Nur eines will ich euch noch erzählen. Im Oktober werde ich meine Ausbildung zur tierschutzqualifizierten Hundetrainerin mit Anne Lill Kvam (einer Schülerin von Turid Rugaas, die sich auf Nasenarbeit spezialisiert und etwa in Angola Minensuchhunde ausgebildet hat) beginnen. Damit bin ich dann meinem Wunsch zur Eröffnung meines Wiener Clickercenters wieder einen Schritt näher. 

– Aber genug erzählt für heute! Es grüßen aus der heißen Leopoldstadt

Chrissi (tippend) & Phoebe (schlafend)

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