Schilddrüsenunterfunktion (SDU) beim Hund

Ein Thema, das mich in letzter Zeit beschäftigt hat, ist die Schilddrüsenunterfunktion. Ich habe nämlich seit einiger Zeit eine vierbeinige Klientin, die genau daran leidet – keine einfache Diagnose! Darum hab ich mich mal umfassend zu dem Thema schlau gemacht, mit betroffenen HundehalterInnen und ExpertInnen über das Thema geredet, mich eingelesen und ein Handout gebastelt.

Wie auch immer, als ich da also recherchiert habe zum Thema SDU, hat sich herausgestellt, dass leider einerseits viele TierärztInnen nicht am neuesten Stand der Diagnostik sind und andererseits SDU bei Hunden gar nicht so selten vorkommt, wie ich angenommen hätte. Und weil sich SDU in vielerlei Hinsicht auf das Verhalten auswirken kann, hab ich die wichtigsten Infos hier für euch zusammengefasst. Quellenangaben und Vorschläge zum Weiterlesen natürlich inklusive. Falls ihr selbst einen SDU-Hund habt, freue ich mich, in den Kommentaren von euren Erfahrungen zu lesen!

“Ein gesunder Hund besitzt eine ISDN-Leitung zur Umwelt, kann also viele Signale gleichzeitig verarbeiten. Ein ‘Schildi’ hat dagegen eine analoge Glasfaserleitung. Es kann jeweils nur ein Signal verarbeitet werden, aber die Verarbeitungsgeschwindigkeit kann extrem hoch sein. Er ist dadurch sehr reaktiv und spontan. Durch die Denkblockade ist der Hund für seinen Halter […] nicht ‘erreichbar’ und kann nicht das lernen, was von ihm erwartet wird.”

(Beate Zimmermann 143)

Laut Beate Zimmermann wird eine SDU häufig erst dann diagnostiziert, wenn bereits 70% der Schilddrüse “kaputt” sind und klinische Symptome wie Haarausfall und brüchige Nägel nicht mehr übersehen werden können. Erfahrene TierärztInnen können allerdings auch eine subklinische (also beginnende) SDU diagnostizieren und behandeln.

 

SchilddrüsenspezialistInnen (empohlen von Bettina Meidlinger):

 

Dr.med.vet. Christiane Wergowski

http://www.christiane-wergowski.de

Hotline: 0900 195 008 004

 

Dr.med.vet. Katrin Voigt

http://www.hundezentrum-rhein-main.com

 

Dr.med.vet. Maurice Bob

http://www.tierarztpraxis-bob.de

 

Dr.med.vet. Pasquale Piturru

http://www.piturru.de

 

Dr.med.vet. Verena Boden

http://www.tierarztpraxis-boden.de

Biologin Dr. Ute Blaschke-Berthold
http://www.cumcane.de

 

Diagnose

 

Klinische (körperliche) Symptome sind erst bei einer bereits sehr ausgeprägten SDU feststellbar. Viele TierärztInnen denken auch erst beim Vorhandensein klinischer Symptome an eine SDU. Eine subklinische SDU zeigt sich häufig nur im Verhalten. Um zwischen subklinischer SDU und sonstigen, nicht hormonbedingten Verhaltensproblemen zu unterscheiden, empfiehlt sich eine gründliche Anamnese und die Erstellung eines Organprofils durch eineN schilddrüsenerfahreneN TierärztIn. T3- und T4-Wert sollten im Blutbild bestimmt werden.

 

Medikation

 

Bei SDU wird das Schilddrüsenhormon Thyroxin (T4) medikamentös zugeführt. Je nach Jahreszeit und Alter haben Hunde eine unterschiedlich starke Schilddrüsenaktivität, daher muss die Dosis unter Umständen an diese beiden Faktoren angepasst werden: Welpen haben eine wesentlich höhere Schilddrüsenaktivität als erwachsene Hunde, und im Winter ist die Aktivität höher als im Sommer: Die Kälte erfordert einen höheren Stoffwechsel, und der Stoffwechsel wird wiederum von der Schilddrüse angeregt.

 

Thyroxin hat eine Halbwertszeit von 12 Stunden. Daher wird es idealerweise zweimal täglich verabreicht.

 

Die Anfangsdosis beträgt 5μg/kg Körpergewicht, die zweimal täglich gegeben werden. Dann wird langsam auf die optimale Dosierung erhöht, die in der Regel zwischen 20 und 30μg/kg liegt.

 

Wird zeitgleich gefüttert, kann die Absorption von Thyroxin um bis zu 50% reduziert werden. Darum sollten Hunde 3 Stunden vor und 30 Minuten nach der Hormongabe keine Hauptmahlzeit fressen.

 

Die Dosierung sollte regelmäßig anhand von Blutuntersuchungen überprüft werden. Sind trotz Tyroxinsubstitution ständig Dosisanpassungen nötig, kann eine zusätzliche Trijodthyronin- (T3-) -substitution angedacht werden.

 

Da es zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen kann, sollte der/die TierärztIn bei jeder Medikamentengabe über die Gabe von T4 und/oder T3 informiert werden.

 

Es empfiehlt sich, ein Tagebuch[1] zu führen. Das erleichtert das Erkennen von Verhaltensänderungen und der Notwendigkeit, die Dosis anzupassen.

 

Körperliche Anzeichen einer Über- oder Unterdosierung

 

Bei manchen Hunden, die im Verhalten sensibel auf Hormonumstellungen reagieren, lässt sich die korrekte Dosis eher am Verhalten als an körperlichen Symptomen festmachen.

 

verstärktes Hecheln in Ruhe und ohne erkennbaren Anlass

scheinbar grundloser Durchfall

Herzrasen, erhöhte Körpertemperatur

Verstopfung

Unruhe/Hyperaktivität

Trägheit

vermehrtes Trinken und Übelkeit, starkes Sabbern

vermehrte Ängstlichkeit

vermehrte Aggressivität

 

Vorsorglich sollten der individuelle Puls und die Körpertemperatur zu einer Zeit bestimmt werden, wenn die medikamentöse Einstellung optimal ist (anhand des Blutbilds belegbar). Der Ruhepuls liegt bei gesunden kleinen Hunden zwischen 80 und 120 Schlägen pro Minute, bei großen Hunden zwischen 65-90. Der Ruhepuls eines Welpen kann bis zu 220 Schläge/Minute betragen. Die Atemfrequenz liegt in Ruhe bei 10-30 Atemzügen/Minute und ist ebenfalls bei kleinen Hunden höher als bei großen.

 

Anfängliche Schwierigkeiten und Abklingen der Symptome

 

 

Meist lassen sich bereits innerhalb der ersten Woche deutliche positive Verhaltensänderungen und eine Verbesserung des Allgemeinbefindens beobachten.

 

In den ersten beiden Wochen können sich in manchen Fällen allerdings auch die Symptome verschlimmern, weil der Körper die gesunde Hormonmenge noch nicht gewohnt ist.

 

Ist nach 8 Wochen keine Verbesserung der klinischen Symptome aufgetreten, kann man von einem Therapieversagen ausgehen.

Bettina Meidlinger bemerkt außerdem, dass sich Halter von SDU-Hunden darüber bewusst sein müssen, dass sie ihr Leben lang einen besonderen Hund haben werden. Viele Schilddrüsenhunde werden nie dieselbe Stresstoleranz wie gesunde Hunde entwickeln und brauchen ihr Leben lang Verständnis für ihre Krankheit und verminderte Belastungsfähigkeit.

 

Regelmäßige Überprüfung der korrekten Dosierung

 

Anfangs sollten die Schilddrüsenwerte (T3 und T4) regelmäßig, nach gefundener korrekter Dosierung jährlich kontrolliert werden. Um über Jahre hinweg einen Vergleich zu erhalten, sollte die Blutabnahme immer zur selben Tageszeit erfolgen und vom selben Labor untersucht werden. Da sich auch die Sexualhormone auf die Schilddrüsenaktivität auswirken, sollte die Untersuchung bei unkastrierten Hündinnen 12-16 Wochen nach Einsetzen der Läufigkeit, bei Rüden zu einer Zeit, in der keine läufigen Hündinnen in der Gegend sind, erfolgen. Da auch Veränderungen im Alltag (Urlaub, Umzug, …) die Schilddrüsenaktivität beeinflussen, sollte die Blutabnahme nicht im Anschluss an derartige Ereignissen erfolgen.

 

Folgeerkrankungen

 

SchilddrüsenpatientInnen sind anfälliger für Infektionskrankheiten, Verhaltensänderungen, Erkrankungen von Herz, Niere, Leber und anderen Drüsensystemen. Eine regelmäßige Untersuchung der Organe hilft bei der Früherkennung.

 

Ernährung

 

Da das Immunsystem schilddrüsenkranker Hunde stärker belastet wird, sollte die Fütterung das Immunsystem unterstützen, ausgewogen und abwechslungsreich sein.

 

Wer Frischfleisch füttert, sollte aufgrund der enthaltenen Schilddrüsenhormone auf Rinderschlund, Kehlkopffleisch und Hühnerhälse verzichten. Unter Umständen ist auch eine maisfreie, kohlenhydratreiche Kost geeignet, um das Verhalten positiv zu beeinflussen.[2]

 

Proteinarme Kost schont die Schilddrüse. Die gefütterten Eiweiße sollten allerdings umso hochwertiger sein, z.B. Topfen.

 

Unter Umständen – das ist noch nicht ausreichend erforscht – fördert Selen (enthalten in Eiern oder Leber) das Wohlbefinden schilddrüsenkranker Hunde.

 

Lachsöl enthält wertvolle Omega-3-Fettsäuren und unterstützt bei Autoimmunerkrankungen.

 

Da bei schilddrüsenkranken Hunden Eisen mitunter weniger gut durch den Darm aufgenommen werden kann, ist eine ausreichende Eisenversorgung sicherzustellen. Eisen ist z.B. in Leber, Milz, Lunge, Sesam, Kürbiskernen und Kleie enthalten, sollte allerdings nie gemeinsam mit T4 verabreicht werden, da es dessen Aufnahme hemmt.

 

Immunstärkendes (Echinacea) und Antioxidationsmittel (Vitamine B6 und E, Flavonoide, N-Acetyl-Cystein, Nicotinamid – finden sich in Traubenschalen-Extrakten und Extrakten aus buntem Gemüse) sollten zugeführt werden.

 

Manche schilddrüsenkranke Hunde leiden an Verstopfung. Ballaststoffe schaffen Abhilfe.

 

Bei Übergewicht sollte das Gewicht reduziert werden!

 

Halsband oder Geschirr?

 

Da Halsbänder direkt auf die Schilddrüse drücken, ist für schilddrüsenkranke Hunde ein Geschirr zu empfehlen.

 

Mehr zum Thema

 

Blaschke-Bertold, Ute. Schilddrüsenhormone und Verhalten – Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Einzelfall-Beobachtungen, Teil 1. Webinar: http://www.dog-ibox.com/market/catalog/product_info.php?products_id=232

 

Blaschke-Berthold, Ute. Schilddrüse, Teil 2. Webinar: http://www.dog-ibox.com/market/catalog/product_info.php?products_id=247

 

Zimmermann, Beate: Schilddrüse und Verhalten. Schilddrüsenunterfunktion beim Hund. Zossen: MenschHund! 4. Auflage 2012.

 

Website zum Thema Schilddrüsenerkrankung beim Hund inklusive Forum und Downloads: http://www.schilddruese-und-verhalten.de

 

 

[1] http://www.schilddruese-und-verhalten.de/wp-content/uploads/2013/08/Mustertagebuch-3.pdf

[2] http://clickforjoy.org/2014/10/17/speisekarte-fur-hyperaktive-angstliche-und-aggressive-hunde/